Heute begehen die Vereinten Nationen den Welt-Down-Syndrom-Tag um das öffentliche Bewusstsein in Bezug auf Down-Syndrom zu fördern. Die Lebenserwartung von Menschen mit Trisomie 21 beträgt über 60 Jahre – wenn Sie die Schwangerschaft überleben.
Denn 9 von 10 Frauen in Deutschland entscheiden sich bei einer Chromosomstörung des Kindes für eine Abtreibung. Diese ist nach der “medizinischen Indikation” noch bis zum Eintritt der Geburtswehen legal möglich. 2019 gab es 3.875 Abtreibungen nach der “medizinischen” Indikationsregelung. 648 dieser ungeborenen Kinder wurden nach der 22. Schwangerschaftswoche (SSW) getötet. Ab der 21. SSW hat ein Ungeborenes außerhalb des Mutterleibs hohe Überlebenschancen.
Auf dem Weg, „Down Syndrom auszurotten“
In anderen europäischen Ländern sehen die Zahlen ähnlich aus. Der amerikanische Fernsehsender CBS berichtete 2017, dass Island auf dem Weg ist, “Down Syndrom auszurotten”. Denn dort entschieden sich fast alle Frauen nach einer “schlechten Prognose” für eine Abtreibung. Durchschnittlich werden in Europa Abtreibung aufgrund von Chromosomenstörungen um die 25. Schwangerschaftswoche durchgeführt. Ein Zeitpunkt, bei dem das ungeborene Kind Hören, schmecken, sehen und Schmerz verspüren kann.
Die republikanische Politikerin Sarah Palin, selber Mutter eines Kindes mit Down Syndrom, zog damals einen Vergleich zum “Versuch von Nazideutschland, eine perfekte Rasse aufzubauen”.
Tatsächlich war die Eugenik ein Kernbestreben Hitlers. Das Recht auf Leben war für ihn dem “Wohl des deutschen Volkskörpers“ unterzuordnen.
1933 unterzeichnete er das “Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” durch welches von 1934 bis 1945 mindestens 400.000 Menschen zwangssterilisiert wurden. In der amtlichen Begründung des Gesetzes hieß es:
„Der fortschreitende Verlust wertvoller Erbmasse muss eine schwere Entartung aller Kulturvölker zur Folge haben. […] So soll die Unfruchtbarmachung eine allmähliche Reinigung des Volkskörpers und die Ausmerzung von krankhaften Erbanlagen bewirken.“
Dieses Gesetzt schaffte die Grundlage für die Verfolgung, Ausgrenzung und spätere Ermordung von Menschen mit Behinderungen und psychischen Krankheiten.
Für die Betroffenen bedeutete eine Zwangssterilisation gesellschaftliche Diskriminierungen, physische und psychische Schädigungen und Spätfolgen. Insgesamt starben durch Anwendung des Gesetzes schätzungsweise 6.000 Frauen und 600 Männer durch Komplikationen an den Folgen der Operation.
70.000 Menschen mit Behinderungen wurden systematisch ermordet
Die Innere Mission (heutiges Diakonisches Werk) beteiligte sich eifrig an der “eugenisch ausgerichteten Wohlfahrtspflege”. Hans Harmsen, der Leiter des Referats "Gesundheitsfürsorge" beim Zentralausschuss der inneren Mission, erklärte:
„Dem Staat geben wir das Recht, Menschenleben zu vernichten - Verbrecher und im Kriege - weshalb verwehren wir ihm das Recht zur Vernichtung der lästigsten Existenzen?“
Harmsen war Maßgeblich an dem “Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses” zur sogenannten “Unfruchtbarmachung“ vermeintlicher “Erbkranker” und Alkoholiker durch Zwangssterilisation beteiligt. Trotz seiner Tätigkeiten während des dritten Reichs war er – da er kein NSDAP Mitglied war – von der Entnazifizierung nicht betroffen.
1952 gründete er zusammen mit Margaret Sanger und Anne-Marie Durand-Wever die organisation Pro Familia. Harmsen war ab der Gründung 1952 bis 1968 Präsident, anschließend Ehrenpräsident von Pro Familia. 1980 wurde er mit dem Großen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Hitler veranlasste am 01.09.1939 den Sterilisierungsstopp und sorgte stattdessen für die Vorantreibung der weitergehenden Maßnahme der Euthanasie, von der auch bereits Zwangssterilisierte nicht verschont blieben. Im Rahmen der Aktion T4 wurden mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen systematisch ermordet.
„Down-Syndrom ist keine Krankheit“
Auch heute werden Menschen mit Behinderungen vorgeburtlich ausselektiert und getötet. So hat im September der gemeinsame Bundesausschusses des Gesundheitswesens darüber entschieden, dass pränatale Bluttests auf Trisomien wie das Down-Syndrom künftig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden sollen.
Diese Entscheidung erntete nicht nur auf Zuspruch. So sagte Ulla Schmidt (SPD), ehemalige Bundesgesundheitsministerin, dem Deutschlandfunk: „Down-Syndrom ist keine Krankheit. Down-Syndrom gehört zur Vielfalt des menschlichen Lebens“.
Sebastian Urbanski, Vorstandsmitglied der Bundesvereinigung Lebenshilfe, sagte dem Radiosender SWR 2: es sein “Riesenfehler, Menschen auszusortieren”. Er selbst hat das Down-Syndrom und sagt, sein Leben sei "großartig".
Laut Grundgesetz darf niemand „wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ – zumindest theoretisch. Wir sollten anfangen, Inklusion auch schon vor der Geburt zu leben. Denn soziale Gerechtigkeit ist ein Ziel für alle, auch für. Menschen mit Behinderung.